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Inhaltsverzeichnis dieser Lektion:
- Text zum Thema “Storytelling”
- Zusammenfassung
- Aufgabe
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Storytelling
Die Hände drückten ihn mit eisernem Griff unter Wasser Ketten schnürten seinen Körper zusammen. Die letzten Luftblasen waren schon vor gefühlten Ewigkeiten an die Oberfläche der lächerlich kleinen Wanne gestiegen, die mit jeder Sekunde größer wurde, bis sie sein immer trüber werdendes Sichtfeld ausfüllte.
Mit letzter Kraft bäumte sich der Autor noch einmal auf. Doch die Hände hielten ihn, einem Schraubstock gleich, gefangen. Nicht ein Zucken. Nicht einen Zentimeter kam er näher an die rettende Oberfläche.
Sein Kopf schien zu platzen. Alles in Ihm schrie nach Luft.
Atmen.
Dann erschlaffte sein Körper und das Wasser strömte ungehindert durch seinen Rachen. Ein hässliches Lachen klang von den Wänden der riesigen Lagerhalle wider.
Die Hoffnung
Mit einem Keuchen wachte der Autor auf. Schweißgebadet. Das Bett zerwühlt. Das Laken teils von der Matratze gerissen.
Er atmete rasselnd, als hätte er den geträumten Todeskampf gerade leibhaftig durchgestanden. Der Wecker zeigte 4:13 Uhr. Es war mitten in der Nacht. Nur die flackernde Neonreklame des China-Ladens von gegenüber erhellte sein Schlafzimmer in gespenstisch kaltem Licht.
„Es war nur ein Traum“ sagte sich der Autor wieder und wieder, wie ein Mantra. „Es war nur ein Traum!“ Und sein Atem beruhigte sich langsam wieder.
„Diese verdammte Wette bringt mich noch um.“ murmelte er. „So viel Druck. Wie soll ich die Besucherzahlen des Blogs derart in die Höhe treiben können? Alle Versuche bisher haben nichts verändert. Die Besucher bleiben länger, weil die Texte nun eine bessere Struktur haben. Doch die virale Verbreitung durch Empfehlungen und Verlinkungen blieb aus.“ Er schlug die Bettdecke zurück und machte sich auf den Weg ins Bad. Wenig später saß er im Bademantel an seinem geliebten, antiken Schreibtisch. Er lächelte. Heute kam die Geheimwaffe zum Einsatz. Storytelling. Seine Schwester würde ihm helfen, das Blatt zu wenden.
Das Monster
„Willst du mich verarschen?“ schrie er mit hochrotem Kopf. Die Adern an Hals und Schläfe waren hervorgetreten und pulsierten deutlich. Er sprang auf und ignorierte den umfallenden Stuhl. Tee schwappte aus seiner Tasse und die etwas kurz geratene, füllige Dame auf der anderen Seite des kleinen Tisches, konnte ihren Latte nur durch ihre schnelle Reaktion vor dem Umfallen retten. Mehr sich hinter ihm versteckend, als ihn schützend, hielt sie nun ihren Kaffee Latte vor sich.
Die plötzliche Stille im sonst so belebten Straßencafé war lauter als das sonst übliche Gemurmel und Geklapper an allen Tischen. Doch wenn der Autor es merkte, dann ließ er es sich nicht anmerken. Er durchbohrte abwechselnd seine Schwester dann die Sammlung aus Blättern, die er in Händen hielt mit seinen Blicken. „Strategien? Langfristige Planung? Ich brauche Ergebnisse. JETZT!“ Mit dem letzten Wort warf er die Loseblattsammlung mit genug Schwung auf den Tisch, dass sie sich in alle Himmelsrichtungen um den Tisch verteilte.
„Natürlich ist es erst mal nur… ich meine, es ist irgendwie eine grobe Strategie. „ Sie stockte kurz“ Weißt du, ich habe mir, zusammen mit meiner Schreib-Partnerin, echt viele Gedanken gemacht. Und wir haben die besten Strategien auf dem Markt analysiert. Ich dachte, du willst, dass der Blog mit einer emotionalen Kernmessage verknüpft werden soll, die zu den Werten des Auftraggebers passen. Oder nicht? Aber weißt du, ich weiß doch über deinen Auftraggeber noch gar niiii…“
Er unterbrach sie, wild mit den nun wieder freien Händen gestikulierend: „Was kümmert der Auftraggeber? Seine Werte? Was soll der Quatsch, Erika? Ich habe bei dir eine Geschichte bestellt. Storytelling. Ich will eine Geschichte, die in den sozialen Medien viral geht. Und die geteilt wird. In der Story soll das Produkt meines Auftraggebers platziert werden und mit der Magie des Storytellings in die Köpfe der Menschen gehämmert werden. Mehr nicht!“
Er wurde immer lauter: „Statt dessen bekomme ich von dir so ein wässriges Gelaber über langfristige Strategien und emotionale Erfahrungen. Was davon kann ich morgen veröffentlichen? Ich habe mich auf dich verlassen und du? Du lässt mich hier mit diesem Mist hängen?!“
Die Hände zu Fäusten geballt, dass die Knöchel weiß wurden stand er da. Sein karmesinrot angelaufener Kopf zitterte vor Anspannung, während er sie unverwandt anstarrte. Dann beugte er sich über den Tisch, holte aus und schlug mit einem Schwung zu.
Die herbstlich angerichtete Dekoration flog in hohem Bogen vom Tisch.
Der Spiegel
„E-e-e-entschuldigen Sie, ich m-m-muss sie leider bitten zu gehen.“ lachte der Autor. „Weißt du noch, wie sein Gesicht aussah? Der arme Kerl muss wirklich um sein Leben gebangt haben, als er mich angesprochen hat.“ sagte er sichtlich amüsiert und schlenderte die Uferpromenade entlang.
„Das kann ihm Keiner verdenken“ warf seine Schwester ein, die mit etwas hängenden Schultern neben dem größeren Mann her ging. „Ich hatte selber Angst vor dir. So voller Zorn! Ich dachte im Ernst, du willst mich schlagen.“
Er stolperte, sah sie mit offen stehendem Mund und geweiteten Augen an: „Du hattest Angst vor mir? Du dachtest… wirklich… das… das wollte ich wirklich nicht.“ Der Autor sackte in sich zusammen, wie eine Marionette, der jemand die Fäden durchgeschnitten hat. „Echt jetzt? Bin ich solch ein Monster geworden wie Dad früher?“
Sie zögerte kurz. „Nun, deine Vorstellung vorhin kam ihm zumindest sehr nahe.“
Der Autor vergrub das Gesicht in den Händen und fuhr sich mehrfach durch die Haare, während er zitternd mehrmals tief durchatmete.
„Das tut mir leid“ sagte er kleinlaut. „Bitte verzeih mir.“ Die letzten Worte kamen so leise über seine Lippen, dass sie kaum mehr als ein Flüstern waren.
Sie nickte.
So gingen sie Beide eine Weile nebeneinander den Weg entlang. Wichen entgegenkommenden Joggern und anderen Spaziergängern aus und schwiegen.
„Und du hast dich wirklich noch nie mit Storytelling beschäftigt?“ Fragte sie nach einiger Zeit unvermittelt und musterte ihn von der Seite.
Der Autor ließ den Kopf hängen und schüttelte ihn dann langsam. „Ich habe einfach immer irgendwie die richtigen Worte gefunden. So habe ich bisher meine Bücher geschrieben. Irgendwie hat es von selbst geklappt.“
Sie lachte laut auf. „Erfolgreich durch Glückstreffer. Ich glaub es ja nicht.“ Sie schüttelte den Kopf, dass die braunen Haare flogen.
Das kleine 1×1 des Storytelling
Dann lass mich dir mal etwas über Storytelling erzählen.“ Sie streckte sich und ging in aufrechter Haltung voran. „Na komm! Wir haben einiges zu tun!“ Der Autor zögerte kurz. Dann beschleunigte er seine Schritte und schloss wieder auf.
„Storytelling ist dann am effektivsten, wenn es gelingt, eine Verbindung zum Leser aufzubauen und eine Emotion oder ein tiefes Bedürfnis anzusprechen.
Du erschaffst so einen direkten Kanal zu seiner Seele, könnte man sagen. Dazu kommt, dass wir Geschichten einfach besser speichern können als Fakten. Eine Information muss zusammen mit einer Emotion serviert werden. Dann kann sie leicht gespeichert werden. Die Emotion ist wie der Nagel, der das Blatt mit den wichtigen Infos an der Wand hält.
Dicke Kinder fliegen nicht
Erinnerst du dich noch an diese Werbung mit dem dicken Jungen, der fliegen will?“ fragte sie. „Eigentlich waren dort sogar alle Menschen kugelrund. Doch dieser Junge hatte einen Traum. Und schlussendlich hat er ihn wahr gemacht.
‚Iss wie der, der du sein willst‘ war die offizielle Message. Dahinter lag noch das Bedürfnis seine Träume zu verwirklichen. Und das Ausbrechen aus schlechten Normen. Kurz: Mut und Durchhaltevermögen!“
Die Geschichte von EATKARUS (EDEKA)
„Ja, das Video kenne ich“, grinst der Autor. „Einfach klasse. Das hat mir ein Freund auf der Reise gezeigt. Ich hab den Abend tatsächlich mal einen Salat gegessen. Glaube allerdings nicht, dass das viel verändert hat“ Er sieht nach unten und tastet seinen gewölbten Mantel entlang, der offensichtlich einem schlankeren Mann besser passen würde. „Ich sitze wohl etwas viel. Außerdem wollte ich ja Autor und nicht Karnickel werden.
Allerdings ging es bei dieser Geschichte ja auch ums Essen. Man soll also mehr gesundes Essen bei dieser Discounter-Kette kaufen.“
Hör mal, wer da Danke sagt
„OK“, seufzte Erika. „Auch wenn du den Kern verkennst: Es geht um das Ideal. Den Wert, der vermittelt wird.
Doch seis drum. Kennst du das Video, in dem man die Gedanken des Kleinkinds hört, dass noch nicht sprechen kann? Wie es sich Gedanken macht, welche Schwierigkeiten es wohl seiner Mama macht und wie dankbar es ihr ist?“
„Hier kommt weder die Firma, noch das Produkt vor. Es steht nicht mal eine Creme-Dose herum, wenn ich mich richtig erinnere. Doch es ist strategisches Storytelling vom Feinsten. Die Message? ‚Wir wissen, Mütter, wie hart es für euch ist. Wir wissen sogar, was euer Kind denkt. Und wir wollen, dass ihr wisst, wie sehr es euch liebt. Denn wir wollen nur das Beste für Euch.‘
Nach dieser Message ist klar, dass das Produkt das beste sein muss, was Menschen für kleine Kinder entwickeln können. – Auch wenn das nie explizit ausgesprochen wird oder gesagt werden müsste.“ Sie blickt ihren großen Bruder von der Seite an und lächelt.
Strategie oder direkt drauf?
Mit verwuschelten Haaren und inzwischen wieder normaleren Hautfarbe läuft der große, etwas füllige Mann, neben der deutlich jüngeren, sehr vollschlanken Dame den See entlang. „Du siehst noch immer etwas derangiert aus, mein Lieber“
„Erika, du hast ja keine Vorstellung.“ brummte der Autor und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, die dem halbherzigen Versuch sie zu richten erfolgreich trotzten. „Dieser Auftrag war die dümmste Idee meines Lebens. Ich habe mit den falschen Leuten eine Wette abgeschlossen, von der ich sicher war, ich könne nicht verlieren.
Jetzt merke ich, dass es mehr über Online Schreiben zu wissen gibt, als ich dachte. Wenn ich Erfolg haben möchte, werde ich jedes Ass aus dem Ärmel ziehen müssen, dass ich habe…. Womit wir zu Dir kommen.“ Er sah seine Schwester ernst an.
„Wir hätten vielleicht früher klar besprechen sollen, was Storytelling eigentlich ist“ sagt er nachdenklich. „Im Grunde scheint mir also Beides wahr zu sein.
Mit Storytelling kannst du kurzfristig einfach eine Geschichte schreiben, in der Jemand etwas erlebt. Und in sein Erleben, kannst du die Lehren einbauen, die du deinen Lesern mitgeben möchtest. Und auch das Produkt und harte Fakten kannst du so, leichter verdaulich durch die Story, vermitteln.
Und gleichzeitig kannst du eine Geschichte erzählen, die nur Ideale anspricht, die deine Zielgruppe mit dir verbinden soll oder die dir nützen. Und das funktioniert, ohne dass ich es erkläre?“
„Jepp“ sagte die Kleinere und balancierte ein Stück auf der Bordsteinreihe, die den Weg vom Grün der Uferböschung trennte. „Das ist zwar ein längerer Weg, auf dem du Geduld brauchst. Doch die Auswirkung auf das Image deiner Firma oder deines Produkts sind großartig.
Erleben statt erklären
Doch bei allen Varianten des Storytellings gilt” Sie stockte kurz, während sie mit den Armen ruderte. bis sie das Gleichgewicht wieder zurückerlangt hatte. “Nicht den Oberlehrer raushängen. Storytelling darf spielerisch sein. Eines der Prinzipien des Storytelling ist: ‚Erleben statt erklären‘. Lass deinen Leser selber die Schlüsse ziehen, statt ihm alles vorgekaut zu servieren. Lass ihn selber denken. OK?
Charakter ist kein Zufall
Dann gibt es noch so Dinge wie den Charakteraufbau. Deine Charaktere dürfen schon greifbar werden, dürfen aber nicht zu konkret sein. Schließlich soll der Leser sie selber mit bekannten Gesichtern auffüllen können. Besonders den Helden. Wenn du hier zu konkret wirst, fällt es schwer, sich selbst darin wieder zu erkennen.
Doch was viele vergessen: In so einer Geschichte darfst du die Charaktere auch entwickeln. Sie müssen etwas dazu lernen, oder charakterlich über sich hinauswachsen. Emma Coats, hat “Pixar’s 22 Storytelling Regeln” aus ihrer Zeit bei Pixar herausgebracht. Eine davon ist ‘Man bewundert einen Charakter mehr für seinen Versuch als für seinen Erfolg’“
„Also eine innere Hürde, einen Widersacher, zu überwinden?“ fragte er.
Sie nickte und blickte weiter konzentriert auf die immer dünner werdende Reihe aus Steinen, auf der sie balancierte.
„Du meinst so wie ich, als ich endlich angefangen habe, dir endlich mal zuzuhören, statt dich weiter anzuschreien?“ Der Autor blieb etwas schief stehen und sah seine Schwester an. Seine Augen suchten Ihren Blick, doch hielten ihm nicht lange stand.
Die brünette Frau lachte, wackelte, ruderte kurz erfolglos mit den Armen und rettete sich dann mit einem beherzten Schritt von der Steinreihe ins feuchte Gras. „Ja, du hast dich ganz schön daneben benommen, großer Bruder. Doch schwamm drüber. Ich weiß jetzt ja zumindest halbwegs, was bei dir los ist.
Allerdings dachte ich eher an mich. Ich habe mich zu Beginn unseres Treffens so klein gefühlt, weil ich im ersten Moment wirklich dachte, ich wäre diejenige, die was verbockt hat und keine Ahnung hat. Du bist schließlich mein großer Bruder und Autor von großartigen Bestsellern. Wie hätte ich ahnen können, dass du dich noch nie mit der Technik des Storytelling beschäftigt hattest.
Jetzt, wo ich das verstanden habe, ist auch mein ‚Schwarzes Loch im Kopf‘ weg und ich kann dir genau sagen, was du tun musst.“
Zusammenfassung und Übungsaufgabe
Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem obigen Text:
- Storytelling ist dann am effektivsten, wenn es gelingt, eine Verbindung zum Leser aufzubauen und eine Emotion oder ein tiefes Bedürfnis anzusprechen.
- Eine Information muss zusammen mit einer Emotion serviert werden. Dann kann sie leicht gespeichert werden. Die Emotion ist wie der Nagel, der das Blatt mit den wichtigen Infos an der Wand hält. Deswegen führe deinen Leser in eine emotionale Story.
- Beispiel: Die Geschichte von EATKARUS (EDEKA)
- Beispiel: Danke Mama (NIVEA)
- Strategisches Storytelling: Du kannst eine Geschichte erzählen, die Ideale und Werte anspricht, die deine Zielgruppe mit dir verbinden soll oder die dir nützen. Komplett ohne dabei dein Produkt zu platzieren. Solche Geschichten werden viel besser geteilt als offensichtliche Verkaufsgeschichten.
- Erleben statt erklären‘. Lass deinen Leser selber die Schlüsse ziehen, statt ihm alles vorgekaut zu servieren.
- Menschen mögen Entwicklung. Schaffe greifbare Charaktere, die sich entwickeln.
AUFGABE:
➤ Überlege dir, welche Message du vermitteln möchtest.
➤ Entscheide dich, ob du direkt eine Information vermitteln möchtest, oder ob du eine Emotion mit Dir verbinden willst.
➤ Überlege dir einen groben Plot mit Zwei bis Drei Akteuren.
➤ Bonus Charakterentwicklung: Überlege dir, welche hervorstechende Charaktereigenschaft sie haben, die sich im Laufe der Geschichte verändern soll und wohin sich die Eigenschaft verändert und wodurch. Das kann sehr knapp gehalten sein.
z.B. Autor: (rechthaberisch und cholerisch) –> Erkenntnis durch Angst seiner eigenen Schwester –> (nachdenklich und lernbereit)
- Bonus “Show, don’t tell”: Erkläre nichts. Beschreibe nur und lasse die Leser selbst erleben.
- Schreib die Geschichte