Als die Hochpreisstrategie spirituell wurde

Danke für Eure zahlreichen Rückmeldungen zu meinem Beitrag „Warum ich gehen muss…“ von gestern!

Heute beschäftigt mich dazu die Frage:

Warum sind bei diesem Thema so viele betroffen und schweigen gleichzeitig in der Öffentlichkeit darüber?
Warum traut sich niemand mehr zu bewerten?

Eigentlich leben wir ja inzwischen in einer Kultur der Transparenz.

Heute ist es beispielsweise sehr schwer, längerfristig im Internet ein schlechtes Produkt zu verkaufen, weil nach recht kurzer Zeit Bewertungen im Netz zu finden sind. Amazon ist natürlich hier das Paradebeispiel.

Und da ist es tatsächlich auch kein Problem – sondern im Gegenteil, viele Menschen sind einem dafür dankbar – wenn man eine positive oder negative Kundenrezension schreibt.

Die Betonung liegt in diesem Fall auf „positiv oder negativ“.

Denn für beides sind andere potentielle Kunden dankbar.

Und ein kluger Hersteller im übrigen auch, denn nur wenn er überhaupt Bewertungen (Rückmeldungen) bekommt, hat er die Chance, sein Produkt zu verbessern.

In der Online-Coaching-Branche scheint dies jedoch nicht zu funktionieren.

Der Unterschied ist recht klar.

Wenn ich heute eine Kaffeemaschine bei Amazon kaufe und die macht keinen guten Kaffee, dann komme ich nicht eine Sekunde auf die Idee, dass das vielleicht an mir selbst liegen könnte. Vielleicht beschäftige ich mich noch kurz damit, ob ich sie richtig bediene. Aber falls das ausgeschlossen ist, schicke ich die Maschine ohne Zögern zurück und schreibe evtl. auch eine negative Bewertung.

Wenn ich heute ein Coaching oder ein Coachingprogramm buche, ist das häufig anders.

Denn Coaching lässt sich schwerer in gut oder schlecht einteilen, das ist klar.

Viele spirituelle Coaches treten ja von vorne herein mit der Message auf: „Es gibt überhaupt kein gut oder schlecht, das ist nur eine Bewertung.“

Seh ich von einer übergeordneten Position (das erwähnte ich auch gestern schon ähnlich) genauso und ich bin durchaus auch der Meinung, dass es beim Ergebnis eines Coachings zu einem großen Teil auf den Coachee ankommt.

Die Qualität ist also durchaus schwieriger zu bestimmen.

Dennoch ist immer ein persönlicher Eindruck da.

Jeder Klient wird mit einem Gefühl aus einem Coaching gehen von „das war richtig gut“ oder „das hat mir jetzt gar nichts gebracht“.

Nur an dieser Stelle wird die Meinung, wenn sie negativ ist, häufig nicht öffentlich geäußert.

Warum wird eine negative Meinung über ein Coaching nicht geäußert?

Mein Ansicht nach wird hier viel zu oft mit der Scham der Klienten gespielt.

Und diese Scham wird aktiviert durch dem Kunden suggerierte Glaubenssätze wie:

  • „Du bist für alles, was hier passiert, selbst verantwortlich.“
  • „Wenn das Ergebis nicht stimmt, dann stimmt eben noch mit Dir selbst etwas nicht.“
  • „Du bist halt noch nicht soweit.“
  • „Du musst Dich nur committen mit diesen 10.000 Euro, dann wird alles gut“

In die Fänge geraten

Ich bin selbst einmal in die Maschinerie eines solchen Systems geraten.

2 Trainerinnen hatten mich aus der Gruppe, noch während des laufenden Seminars, isoliert und ich saß auf einem kleinen Stuhl in diesem engen Büro mit diesen 2 imposanten Damen vor mir.

Sie erzählten mir alles:

  • Du hast so unglaublich ausgeprägte Leadershipqualitäten, Du passt perfekt zu uns!
  • Es wäre schade, wenn Du diese Qualitäten nicht aktivierst.
  • Du brauchst den richtigen Rahmen, um das voll entfalten zu können.
  • Du musst Dich halt committen.
  • Wenn Du Dich erst entschieden hast, dann kommt auch das Geld (um die Ausbildung zu bezahlen).
  • Du hast eine so tolle Präsenz und (ich wiederhole mich, weil sich das in diesem Gespräch auch zig mal wiederholte) so krasse Leadershipqualitäten.
  • usw. usw.

Und ich sag Euch, die waren gut. Gar nicht plump. All das schmeichelte mir sehr!

Mal ehrlich, wer will nicht so gesehen werden?

Ich habe es damals nicht gebucht.

Denn ja, meine Leadershipqualitäten (um mich selbst zu führen) sind tatsächlich gut. Deren Pech.

Und ich weiß, dass nicht alle dem widerstehen konnten.

Bereits direkt nach dem Seminar erzählte mir eine andere Teilnehmerin, dass sie den 4 Jahres-Vertrag für 4 Trainings zu je 10.000 Euro (!!!) unterschrieben hätte und es schon jetzt bereute, da sie nicht wisse, wie sie an so viel Geld kommen sollte.

Das war vor über 10 Jahren.

Und ich fragte mich damals, wie man so derart altmodisch verkaufen könne.

Denn inzwischen gab es doch viel bessere Methoden des Vertrauensaufbaus. z.B. das inzwischen so oft verlachte Content Marketing.

Und ein paar Jahre lang funktionierte das Content Marketing auch absolut hervorragend.

Deshalb begann ich damals mit dem Bloggen.

Das große Geld winkt.

Doch dann begannen immer mehr, darin das große Geld zu wittern.

Content Marketing – wenn man damit so gut Vertrauen aufbauen kann, dann heißt das auch, dass man damit gut manipulieren kann (und hier meine ich dieses Wort mal ausdrücklich negativ).

Es gab ja tatsächlich ein paar, die damit richtig gutes Geld verdienten.

Also schauen wir uns doch einfach mal an, was die Versprechen… und versprechen das gleiche! Es ist so einfach!

BOOOM!

Die Hochpreis-Welle war geboren!

Und noch schlimmer wurde es, als die Hochpreis-Welle spirituell wurde!

Denn damit schlossen sich eventuell offene Argumentationsketten. Einfach so. Juhu!

Denn ab sofort war klar… egal was Du kaufst, egal wie teuer, es ist Deine Entscheidung, Deine Wahl, Dein Weg…

Kurz:

ES IST GUT FÜR DICH!!

Und wenn Du nicht erkennst, dass es gut für Dich ist, dann bist Du nicht erwacht.

Und wenn Du nicht erwacht bist, dann halte Dich am besten ganz still und warte darauf.

Aber schreib ja keine negative Bewertung von irgendwas.

Denn das – das versichere ich Dir – fällt einfach IMMER auf Dich selbst zurück, Du schlafendes Schaf!

Schäm Dich!

Und jetzt?

Um ehrlich zu sein… ich weiß es nicht.

Oder noch nicht ganz genau.

Natürlich könnte ich einfach weitermachen, all das außen vor lassen und „einfach mein Ding“ machen.

Bestimmt steht bereits jemand mit genau diesem Ratschlag parat, denn solange mich das alles so triggert, ist es bestimmt einfach nur mein Problem. Irgendein unverarbeiteter Schmerz oder so.

Alles nur meine Realität.

Ich Schaf!

Ich schreib einfach mal weiter darüber.

Määääh!

***

Tu, was Du willst!
Deine Christina

2 Kommentare zu „Als die Hochpreisstrategie spirituell wurde“

  1. Liebe Christina, danke für deinen Bericht. Ich kann diesem voll zustimmen. Auch auf Grund meiner eigenen Erfahrung.
    Ich wundere mich welche Begriffen und Worte in diesen Angeboten verwendet werden.
    Mit Gold und Glitzer und und und…natürlich sehr sehr spirituell.
    In Bezug auf Schafen fällt mir folgendes ein.
    Wenn du einen kleinen Baum pflanzt, dann sei vorsichtig. Mache einen Draht drumherum. Sonst kommen die Schafe und fressen ihn.
    Wenn der Baum dann eine große Krone hat, gib den Draht weg, denn dann kommen die Schafe und legen sich in den Schatten des Baumes!
    In diesem Sinne, alles Liebe und ich freue mich auf weitere Määääääh`´s

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