Die Magie des Schreibens – Basic Lesson 3

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Inhaltsverzeichnis dieser Lektion:

  • Text zum Thema “Dramaturgie”
    • Wendepunkte
    • Pixar-Struktur
    • Säen und Ernten
  • Zusammenfassung
  • Aufgabe

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Dramaturgie

“Als Dramaturgie werden auch Anleitungen zum Verfassen oder zum Verständnis von dramatischen Texten verstanden. Als klassische Texte gelten etwa die Poetik (um 335 v. Chr.) von Aristoteles, Gotthold Ephraim Lessings Hamburgische Dramaturgie (1767–69), Passagen aus Georg Wilhelm Friedrich Hegels Vorlesungen über die Ästhetik (1835–38) oder Bertolt Brechts Kleines Organon für das Theater (1946).”

Der Autor blickte erschöpft auf den Wikipedia-Artikel, der ihn beinahe höhnisch anzuflimmern schien und fuhr sich mit den Händen durchs Gesicht. Dramaturgie schien ein spannendes Thema zu sein. Er lehnte sich in seinem modernen Bürostuhl zurück und streckte sich. Die müden Knochen quittierten die ungewohnte Bewegung mit dezentem Knacksen. 

Er rekapitulierte in Gedanken das Gespräch mit der Stimme am Telefon, dass er vor wenigen Stunden geführt hatte: “Wenn du Anfang und Schluss gemeistert hast, dann ist der Mittelteil dran. Hier spielt die eigentliche Geschichte. Und auch hier gilt: Wenn du nichts zu sagen hast und nicht weißt wo du hin willst: Schreib nicht.

Doch wenn du weißt, auf welche Reise du deinen Leser entführen willst, dann setze dich, spitze deine Schreibfeder und lass es hinaus fließen.”

“So einfach?” Hatte der Autor überrascht gefragt.

“Wenn du die Regeln kennst und mit ihnen genug gespielt hast: Ja. Bis dahin: Übe die folgenden Dinge:

  • Schreiben mit 2 Wendepunkten
  • Schreiben nach der Pixar Struktur
  • Wenn du zeigen willst, dass du es drauf hast, dann darfst du auch “Säen und Ernten”

Doch lass uns am Anfang beginnen.

Die Wendepunkte

Ein Wendepunkt in der Geschichte ist (meist) ein Ereignis, dass die Richtung der Geschichte ins Gegenteil umkehrt.

Typische Geschichten haben 2 Wendepunkte. Der erste wendet das Blatt zum Schlechten. Dann folgt langes Kämpfen ohne realistische Erfolgsaussicht, dann folgt (kurz vor Schluss) der 2. Wendepunkt, der das Blatt zum Guten wendet.

Im Drama ist es anders herum. Logisch?”

Kurzes Schweigen 

Der Autor erinnerte sich, dass er sich ein gequältes “Ja” abgerungen hatte und die Stimme setzte ihren Monolog fort: 

“OK. ein Beispiel. Du kennst den Film ‘die Matrix’?”

Klar kannte er die Matrix. Neo auf seinem Kampf gegen die Maschinen. 

“Neo startet in seinem Appartment, wird kontaktiert. Erfährt, dass sein Idol Morpheus existiert und wird von ihm am nächsten Tag am Telefon wie von einem allwissenden Magier durch die Büroräume geleitet um den schmierigen Agenten der Maschinen zu entgehen.

Und scheitert schlussendlich an seiner Angst und fehlendem Vertrauen vor dem Sprung aus dem Fenster.

Wendepunkt. 

Jetzt geht es hinab: Er durchlebt Schrecken und Entbehrungen. Lernt die wirkliche Welt kennen, außerhalb der Matrix. Doch ihre Chancenlosigkeit ist die ganze Zeit präsent. Selbst beim Orakel versagt er. Bis die Not am größten ist und er beginnt an sich selbst als den Auserwählten zu glauben.

Wendepunkt.

Jetzt wendet sich das Blatt erneut und die fatale Situation wird zu einem furiosen Erfolg, der darin mündet, dass Neo den Code der Matrix sehen kann und damit im Rahmen des Programmes im Grunde allmächtig wird.

Die meisten Filme oder Geschichten sind nach diesem Schema aufgebaut. Rauf, runter, rauf. Auch für Produktpräsentationen und sachlichere Texte lässt sich das gut verwenden.

Karate-Kid? Wirkt erst vielversprechend, doch wird dann von seinem (zukünftigen) Erzfeind übel vermöbelt, lernt lange scheinbar nutzloses Zeug bei Mr Miyagi und wird sogar im großen Turnier ziemlich hergerichtet, bis er sich auf seine Stärke besinnt und den Kranich auspackt, mit dem er das Turnier für sich entscheidet. Rauf – Wendepunkt – Runter – Wendepunkt – Rauf.

Nimm dir mal ein paar Geschichten, die du kennst. Oder ein paar Filme und suche mal bewusst nach den Wendepunkten. Blockbuster sind zwar meist nach der deutlich komplexeren Heldenreise aufgebaut, doch die beiden Hauptwendepunkte finden sich auch hier wieder. Doch die Heldenreise wäre ein Thema für einen ganzen Kurs.. Konzentrieren wir uns auf die beiden Wendepunkte.

Nimm deinen Text von unserem ersten Tag und überarbeite ihn im Mittelteil. Schaffe zwei unmissverständliche und, wenn du kannst, überraschende Wendepunkte, die klar die drei Bereiche des Mittelteils voneinander trennen: Rauf, runter, rauf.

In Geschichten geschieht ja meist eine innere und eine äußere Transformation des Helden. Häufig eine zentrale Charaktereigenschaft, die sich beim ersten Wendepunkt als Schwäche herausstellt (fehlendes Selbstbewusstsein, Angst vor XY, Gier, Lust) und den Abwärtstrend herbeiführt. Dann erfolgt eine Phase der Läuterung in der Denkanstöße und Erlebnisse dazu führen, dass diese Charaktereigenschaft sich wandelt. Meist sehr zögerlich. 

Dann kommt der innere Durchbruch, der idR. den äußeren Durchbruch nach sich zieht. 

Da lässt sich viel draus machen.

Und wenn du das gemacht hast, habe ich noch ein Schmuckstück für dich:

Die Pixar Struktur.

Pixar ist ja für seine großartig erzählten Geschichten bekannt (ToyStory, Findet Nemo, Cars…) und die haben mal eine wundervoll einfache Struktur definiert:

Es war einmal……..: Einführung des Settings und des Protagonisten.

Es war einmal ein frecher Junge namens Jens. Der lebte in einem Dorf am Ende der Welt.

Jeden Tag……..: Einführung seines Alltagsverhaltens. Jens ging zur Schule.

Jeden Tag auf dem Weg zur Schule kam er an einem Karpfenteich vorbei, in den er jeden Morgen hineinpinkelte. Ein paar mal hätte Ihn der Karpfenzüchter schon fast erwischt, doch Jens war noch immer entwischt.

Eines Tages……..: Hier ist der 1. Plotpoint. Irgendetwas verändert den gewohnten Ablauf und bringt die Ereignisse in Gang.

Eines Tages, als Jens wieder in den Weiher gepinkelt hatte und sich gerade wieder auf den Weg zur Schule machen wollte, hörte er hinter sich eine liebliche, unbekannte Stimme….

Deswegen……..Deswegen……..: Jetzt folgt ein Ereignis dem Anderen. Der Mittelteil oder auch 2. Akt der Geschichte (nach 3-Akt-Struktur) ist der Teil, in dem der Held seinen Herausforderungen begegnet, seinen inneren und äußeren Konflikt austrägt, innerlich reift und schließlich herausfindet, wie der zentrale Konflikt gelöst werden kann. Dies repräsentiert den 2. Plotpoint und leitet den 3. Akt und Schluss ein.

Jens wird von der Karpfenkönigin in ihre Welt entführt, erlebt diverse Abenteuer aus der Sicht der Karpfen und lernt Demut.

Bis schlussendlich……..: Hier findet die Geschichte ihren Abschluss. Der Konflikt wird abschließend gelöst. Held und Umfeld kehren in einen stabilen Alltag zurück.

Jens gewinnt den Wettstreit mit dem Feind der Karpfen und kehrt aus dem Weiher zurück. Die Welt der Karpfen ist gerettet Jens hat sich weiterentwickelt und ist zu einer neuen Persönlichkeit gereift. Nun wird er wohl nie mehr in den Teich pinkeln, hilft jetzt sogar dem alten Karpfenzüchter, der sich zwar wundert, aber dankbar ist.

Du verstehst? Das ist im Grunde Malen nach Zahlen.”

Der Autor lächelte. Ja. das klang tatsächlich nach einem guten Geländer, an dem er sich auf dem Weg zu einer klasse Geschichte entlanghangeln konnte.

“Also: ans Werk! Schreib mir deine Geschichte noch mal. Doch dieses mal nach der Pixar Formel. Und lass dich nicht von dem Gedanken beirren, dies ginge nur für Geschichten. Auch sachlichere Themen lassen sich auf diese Art vermitteln.”

“Und was hat es mit dem “säen und ernten” auf sich, dass du vorhin angesprochen hast?” erinnerte er die Stimme im Telefon.

Säen und ernten 

“Jaaaa”. Eine Pause folgte. “Wenn du magst, kannst du es gleich mit einbauen.

“Säen und Ernten” beschreibt das Säen von Hinweisen und Andeutungen. Manchmal auch Informationspuzzlestückchen im Laufe eines Textes. Diese Puzzlestücke ergeben aber erst gegen Ende Sinn, wenn der Blickwinkel stimmt oder die entscheidende Information hinzu kommt.

Gerade bei Detektivgeschichten wird häufig mit den “Hinweisen” gespielt. Viele scheinbar sinnlose indizien werden gesammelt, bis plötzlich den genialen Ermittler die Erkenntnis trifft und alle Puzzlestücke ineinander schnappen.”

“Hast Du dazu ein Beispiel?” unterbrach der Autor hastig, denn er konnte sich das noch nicht wirklich vorstellen. 

“Natürlich… letztens habe ich einen Abenteuerfilm gesehen. Die Kurzfassung: 3 Brüder retten eine Prinzessin vor einem Ungeheuer. Einer der 3 Brüder sammelt auf der Suche nach dem Ungeheuer alles mögliche auf. Einen Spiegel, einen Helm und noch ein paar scheinbar unnütze Dinge. Von seinen 2 anderen Brüdern wird er dafür belächelt. Doch als es zum finalen Kampf gegen das Ungeheuer kommt, entpuppen sich die “zufällig” gefundenen Gegenstände als notwendige Schlüsselgegenstände, um das Ungeheuer zu besiegen.

Alles klar?”

“Ja, alles klar” antwortet der Autor verstehend. Die Stimme spricht weiter: 

“Ok, dann zum Thema “Andeutungen”. In sachlichen Texten kann mit den Andeutungen das Interesse gehalten werden. Loops auf zukünftige Themen können geöffnet werden, die das interesse auch über langweiligere Stellen hinweg aufrecht erhalten.”

“OK.” war die Stimme des Autors zu vernehmen, der heute kaum zu Wort kam. “Und die mache ich dann am Ende alle zu.”

“Nicht zwingend, aber überwiegend.

Wenn Du mit den Lesern oder Zuhörern in den Diskurs treten möchtest, kannst du auch 1-2 Loops offen lassen. Das arbeitet im Unbewussten der Menschen weiter und führt deutlich öfters zu Rückfragen und dazu, dass das Thema im Kopf der Menschen länger aktiv und präsent bleibt.

Doch auch Loops aus einem Artikel einer Serie auf Folgeartikel sind ein guter Weg, Interesse zu erhalten. Oder vom Kurs auf einen Folgekurs etc.

Doch jetzt: Viel Spaß damit. Und vergiss nicht: Wir sind hier in einem Übungsumfeld. Erlaube es dir ruhig Fehler zu machen. Doch probiere so viel wie möglich aus.”

“OK.” murmelte der Autor, ganz in Gedanken. Einfach drauf los spielen? Das konnte er. Das würde leicht werden.

Zusammenfassung und Übungsaufgabe

Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem obigen Text

  1. Typische Geschichten haben 2 Wendepunkte. Der erste wendet das Blatt zum Schlechten. Dann folgt langes Kämpfen ohne realistische Erfolgsaussicht, dann folgt (kurz vor Schluss) der 2. Wendepunkt, der das Blatt zum Guten wendet.
  2. Die meisten Filme oder Geschichten sind nach diesem Schema aufgebaut. Rauf, runter, rauf. Auch für Produktpräsentationen und sachliche Texte lässt sich das gut verwenden.
  3. Pixar 
    1. Es war einmal……..: Einführung des Settings und des Protagonisten.
    2. Jeden Tag……..: Einführung seines Alltagsverhaltens. 
    3. Eines Tages……..: Hier ist der 1. Plotpoint. Irgendetwas verändert den gewohnten Ablauf und bringt die Ereignisse in Gang.
    4. Deswegen……..Deswegen……..: Jetzt folgt ein Ereignis dem Anderen. Der Mittelteil oder auch 2. Akt der Geschichte (nach 3-Akt-Struktur) ist der Teil, in dem der Held seinen Herausforderungen begegnet, seinen inneren und äußeren Konflikt austrägt, innerlich reift und schließlich herausfindet, wie der zentrale Konflikt gelöst werden kann. Dies repräsentiert den 2. Wendepunkt und leitet den 3. Akt und Schluss ein.
    5. Bis schlussendlich……..: Hier findet die Geschichte ihren Abschluss. Der Konflikt wird abschließend gelöst.
  4. “Säen und Ernten” beschreibt das Säen von Hinweisen und Andeutungen. Manchmal auch Informationspuzzlestückchen im Laufe eines Textes. Diese Puzzlestücke ergeben aber erst gegen Ende Sinn, wenn der Blickwinkel stimmt oder die entscheidende Information hinzu kommt.
  5. Wenn Du mit den Lesern oder Zuhörern in den Diskurs treten möchtest, kannst du auch 1-2 Loops offen lassen. Das arbeitet im Unbewussten der Menschen weiter und führt deutlich öfters zu Rückfragen und dazu, dass das Thema im Kopf der Menschen länger aktiv und präsent bleibt.

AUFGABE:

➤ Nimm deinen Text von unserem ersten Tag und überarbeite ihn im Mittelteil. Schaffe zwei unmissverständliche und, wenn du kannst, überraschende Wendepunkte, die klar die drei Bereiche des Mittelteils voneinander trennen: Rauf, runter, rauf.

➤ Schreib deine Geschichte noch mal (oder auch mal eine ganz neue Geschichte). Doch dieses mal nach der Pixar Formel. Und lass dich nicht von dem Gedanken beirren, dies ginge nur für Geschichten. Auch sachliche Themen lassen sich auf diese Art vermitteln.

➤ Wenn Du magst, streue Hinweise oder Andeutungen ein. Probier Dich einfach aus.