Ein Coach kann alles verkaufen. Außer sich selbst.

Mein Coach-Netzwerk ist sehr groß. Und meine Timeline wird immer voller davon. Coaches, die alles verkaufen. Nur nicht sich selbst, sprich, nicht ihre eigene Dienstleistung.

Ich sehe sie alles mögliche verkaufen. Schönheits- und Gesundheitsprodukte. Nahrungsergänzungsmittel. Tupperware. Kerzen. Nuggets. Schmuck. Und was nicht noch alles.

Und all das verkaufen sie nicht etwa genervt so nach dem Motto „Oh nein, schon wieder muss ich ein Angebot raushauen. Bestimmt nerve ich schon mein Netzwerk damit!“ wie ich es oft genug höre, wenn ich mit Coaches über das Verkaufen bzw. über Marketing spreche.

Nein! Da gibt es plötzlich:

Lebendige Erfahrungsberichte.

Man ist sozusagen spürbar live dabei, wenn der Rosenduft am morgen so ganz nebenbei für gute Laune sorgt, während die absolut natürlichen Inhaltsstoffe die Haut in Minuten um Jahre jünger aussehen lassen. Ich sehe das Gesicht der Frau vor mir, die sich hingebungsvoll vor dem spiegel anlächelt, während sie mit sanften, kreisenden Bewegungen die wohlduftende Creme, nein, nicht einfach aufträgt… sie widmet sich ihren Gesichtszügen und massiert die wertvolle Essenz vorsichtig ein. Dabei umspielt sie ein Hauch von Luxus. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Spannende Erfolgsgeschichten.

„Danke an das beste Team der Welt! Business mit Euch ist eine einzige Party! Yeah!“ Klingt das nicht großartig? Sei doch auch dabei und verdiene wie ich schon im ersten Jahr Dein erstes, richtig gutes Geld. Seitdem ich mich da so richtig reinhänge, geht es voll ab bei mir und das macht auch noch richtig viel Spaß! Ist ja auch kein Problem, denn es geht um etwas, hinter dem ich voll stehen kann und mit dieser Begeisterung geht es fast wie von selbst. Let’s rock!

Kreative Eventideen.

Von romantischen Spa-Abenden für die anspruchsvolle Frau, die gerne jung, schlank und göttlich sein will, bis hin zu lustigen Abenteuer-Nachmittagen mit einer luftig-lockeren Einführung in die Welt der bunten Pillen. Auf einer Tupperparty war ja jeder schon mal oder? Zumindest hat man schon davon gehört. Jetzt gibt es das in vielen verschiedenen Varianten. Unglaublich und großartig, was da so an Ideen entsteht.

So schön kann Verkaufen sein!

Überzeugung, Begeisterung und Kreativität. Alles da.

Ein tolles Produkt, gute Preise, kreative Angebote. Alles da.

Schöne Worte, schöne Bilder, schöne Gefühle. Alles da.

WTF???

Ich hab mich ja lange gefragt, warum mich das alles so nervt.

Und nein, es ist nicht die Vertriebsstruktur. Das sind keine Abzocker-Schnellballsysteme wie es sie früher viel gab. Das hab ich schon kapiert.

Und es sind auch nicht die Produkte. Bestimmt sind die toll. Ob sie toller sind als das, was ich im ausgesuchten Fachhandel bekomme kann ich nicht beurteilen.

Was ist es dann?

Die Verschwendung von Talent

„Christina, was nützt es mir ein superguter Coach zu sein, wenn ich nicht davon leben kann? Also hab ich eben mal was Neues ausprobiert!“

Ja, das kann ich nachvollziehen. Das ist blöd – also wenn man nicht davon leben kann. Und es ist nicht nur blöd, es ist auch auf Dauer nicht tragbar. Schon gar nicht, wenn vielleicht noch Familie im Spiel ist und man die Verantwortung nicht für sich alleine trägt. Uns selbst wenn man alleine ist, Geldsorgen können einfach erdrückend sein.

Dennoch frage ich mich manchmal, ob es nicht mit dem Einkommen als Coach etwas besser klappen würde, würde man die Energie, die man für fremde Produkte aufbringt, in die eigenen stecken.

Aber warum klappt das nicht?
Fehlt es an Vertriebskompetenz?
An Erfahrung?
Fehlt es etwa an Reichweite oder Sichtbarkeit?
An Strategie?

Ich glaube nicht.

Faulheit. Feigheit. Eitelkeit.

Das sind – so hab ich es von meiner lieben Kollegin Melanie Mittermaier gelernt – DIE 3 Erfolgsverhinderer.

Was könnten sie damit zu tun haben, dass wir die Produkte von anderen besser, leichter und erfolgreicher verkaufen als die eigenen?

Faulheit

In einer so schön von außen vorgegeben Vertriebsstruktur ist meistens schon alles da. Ein Name, ein Logo, Texte, Bilder, Sprüche, Überzeugungen, eine Vertriebsstruktur und natürlich Produkte.

Wird man Vertriebspartner braucht man das alles in der Regel dann nicht selbst machen. Man kann sich einfach dranhängen und gut.

Zum Glück sind die Initiatoren auch meist noch so geschickt, einem die Idee als Sprung in die eigene Selbstverwirklichung zu verkaufen. Eigentlich wollten wir ja schon als kleine Prinzessin mit 8 Jahren am liebsten den ganzen Tag mit Glitzerschmuck spielen und jetzt dürfen wir diesen Traum endlich leben.

Auf einer großen Party mit genug Alkohol und Spaß fühlen wir uns das erste Mal wieder so richtig lebendig. Endlich raus aus dem einsamen Bürodasein als selbständiger Einzelkämpfer. So kann man mit voller Begeisterung hochmotiviert starten. Den Kater am nächsten morgen vertreibt man total easy mit einer gelben Pille und einem Aloe Vera Superfit Drink (Name von mir frei erfunden, Ähnlichkeiten sind zufällig. Ehrlich, ich hab keine Ahnung, was es da alles gibt. :-D).

Die eigene Faulheit ausgehebelt. Wunderbar.

Die eigene Idee auch.

Feigheit.

Letztens saß ich zwei Stunden vor einem Blogartikel. Ich hab mich da so richtig reingehängt, war voll im Flow, das Thema total meins und es sprudelte nur so aus mir heraus. Das wird einer meiner besten Artikel, dachte ich die ganze Zeit über. Mein Herzblut liegt da drin.

Und vor ein paar Monaten, da hab ich mein größtes Produkt überhaupt verkauft. Ein Produkt, von dem ich so überzeugt und begeistert war, dass es wirklich total leicht war, Kunden dafür zu gewinnen, obwohl es wirklich hochpreisig war. Es sollte großartig werden! Der Durchbruch. HAMMA!

Beides – der Herzblut-Blogartikel und das HAMMA-Produkt – waren, sagen wir mal etwas sanft, ein Flop. Den Artikel wollte niemand lesen. Kaum Likes, keine Shares, ein einziger Kommentar von einer meiner treuesten aus sonst über 3000 Lesern. Das Produkt… ich will nicht weiter darüber sprechen.

Das sind die Momente, wo Du nicht nur am liebsten alles hinschmeißen willst. Dann sind auch die Momente, in denen Du ne ganze Menge MUT brauchst, um wieder einen neuen Artikel zu schreiben und wieder ein neues Produkt zu kreieren.

Kein Verstecken, keine Ausreden, kein „Die anderen…“ – es sind MEINE Produkte, die entweder funktionieren oder nicht. Und an deren Entwicklung ich wachse.

Natürlich können wir auf vielfältige Weise wachsen und uns entwickeln. Auch das Verkaufen von Produkten anderer Menschen ist völlig ok.

Wir sollten uns einfach nur einen Moment lang fragen, ob wir nicht eigentlich unserer eigene Feigheit verkaufen.

Wenn nicht – alles gut.

Eitelkeit.

Kann es wirklich sein, dass wir Coaches so eitel sind? Haben wir nicht diese Ego-Sache in der letzten Coachingsausbildung hinter uns gelassen?

Warum zum Teufel glauben viele Coaches dann an die absolut arrogante und blödsinnige Superweisheit, dass die Menschen da draußen ja nur unsere Brillanz erkennen müssten, damit sie uns buchen? Warum glauben wir, dass wir mit unserer „Coaching-Sprache“ die Menschen da draußen erreichen? Wann steigen wir ab von unserem hohen Ross und denken in der Sprache der Menschen, die noch im Problem drin stecken?

Und warum können wir das plötzlich, wenn es nicht mehr um Coaching, also unser eigenes Produkt, sondern um Plastikdosen oder Wunderpulver von anderen geht? Warum sprühen wir hier vor Begeisterung? Und holen die Menschen genau da ab, wo sie stehen?

Warum kann eine meiner intelligensten und intellektuellsten Kolleginnen sich plötzlich auf Schulmädchensprache-Niveau begeben (was by the way keine negative Wertung von mir ausdrücken soll, sondern viel mehr die geniale Fähigkeit genau dies zu tun, unterstreichen soll!)?

Wie kommen wir nur auf die – sorry – abgefuckte Idee ein Produkt jemand anderem wäre so viel besser als unser eigenes, dass wir hierfür alles aktivieren, was wir haben?

Und warum setzen wir diese Fähigkeiten, lebendige Erfahrungsberichte, spanndende Erfolgsgeschichten und kreative Eventideen zu erschaffen, nicht für unsere eigenen Ziele ein?

Sind wir wirklich zu eitel für einen geplatzten Traum?

Eigenverantwortung

Ok, ich höre jetzt wieder auf. Denn ich hab ja in meinem bisher 40 jährigen Leben noch etwas wichtiges gelernt: Ich kann nicht jeden retten! 😉

Muss ich auch nicht.

Ich darf Menschen ihre eigenen Entscheidungen treffen lassen und jeder darf seine eigenen Erfahrungen machen.

Und es steht mir auch nicht zu, diese zu beurteilen, auch wenn ich schon eigene Erfahrungen damit gemacht habe.

Nur um es nochmal zu betonen: Ich verurteile nicht die Verkaufssysteme und auch nicht die Produkte. Was weiß ich schon davon?

Und es mag bestimmt viele gute Gründe geben, warum Menschen sehr begeistert in diesen Systemen mitwirken und die Produkte verkaufen.

Eines weiß ich aber:

Wenn Faulheit, Feigheit oder Eitelkeit der Grund dafür ist, dass Du in diesem einen Leben nicht DEIN Ding machst, dann ist das definitiv… schade.

Denn Du bist großartig, wundervoll und genial!

Und Du hast es verdient, dass Du Deine Liebe, Deine Energie und Dein Herzblut in Dich selbst steckst.

Und wenn Du noch nicht weißt, wie verdammt gut Du bist, dann komm mal gerne vorbei… and I’ll show you!

Alles Liebe
Christina

5 Kommentare zu „Ein Coach kann alles verkaufen. Außer sich selbst.“

  1. Ha, Christina.

    Ich sitze hier mach den Kopfnicker. Kein Scheiß. In echt. Hab ich mir schon so oft gedacht, erlebt, gesagt.

    Bei der Creme geht plötzlich das, was bei den eigenen Produkten und Angeboten nicht möglich war und ist.
    Der konsequente Auftritt, der eloquente Auftritt, der voll verhasste Pitch, das Netzwerken, das drüber reden, anbieten, Akquise, bloggen, posten, kreativ sein.

    Ach. Was weiß ich.

    Das Phänomen ist super spannend. Die 3 Erfolgsverhinderer machen hier nicht die schelchteste Figur.

    Howdy
    Regina

  2. Ein Genuss die Sprache, ein Abenteuer der Inhalt, denn mir ging in jedem Kapitel ein neues Licht auf. Viel Spass bei der Lekt re an alle Pioniere, Coaches, Berater und auch Schauspieler die gerne mal die Brillen wechseln.

  3. Liebe Christina,

    ein großartiger Artikel mit einem extrem spannenden Thema. Du hast einen ganz wichtigen Aspekt angesprochen, der diesen verrückten Unterschied im Verkauf bei dem Produkt „ICH“ oder dem Verkauf eines glänzenden Tiegels ausmacht. Richtige und wichtige Punktlandung. Bravo!

    Es kommt noch etwas anderes hinzu. In meiner Welt, denn ich verkaufe Produkte, knallharte Industrie, genormt, technisch, glänzend, zack-zack alles ganz klar und unverhandelbar (außer der Preis natürlich; da geht immer was). Und anderseits verkaufe ich mich. Meine Dienstleistung. Mein Herzblut. Genau das ist sehr viel schwerer und zwar aus so vielen Gründen. Eine Reklamation eines Flansches zB. tut mir sehr leid. Ich regle das, hole den Kunden ab. Bringe das in Ordnung. Aber wenn ein Kunde mich reklamiert, die Vorstellung ist dann schon bedrohlicher. Näher. Auch der Verkauf, den ich bei Produkten liebe, ist bei „mir“ deutlich schwerer. Warum? Weil die Trennung weniger leicht ist. Weil die Ablehnung näher und schmerzhafter ist.

    Ob das so sein muss? Nein. Fuckin no. Aber der Weg zu einem leichten Verkauf von „Dir“ ist tiefer, länger und bedeutet immer eine intensive Auseinandersetzung mit dir selbst.

    Doch dann, wenn du es geschafft hast, ist der Himmel grenzenlos.

    Ich danke dir für diesen wundervollen Artikel.

    Sei umarmt

    Claudia xoxo

    Btw, es ist eine echte Charakterschule, wenn ein geliebter Artikel /Produkt floppt. Have been there <3

  4. Liebe Christina,

    du triffst den Nagel so was von auf den Kopf!!!

    Ich gebe zu, dass ich vor ein paar Wochen ebenfalls vor der Versuchung stand, in die Wunderwelt des Vertriebssystems, für solch tolle Produkte, einzusteigen.

    Aber auch da muss man Zeit investieren, um erfolgreich zu sein. Ja, es war sooo verlockend. Da empfiehlt man nebenbei drei Leuten Produkte, die wirklich gut sind und bekommt am Monatsende einen tollen Bonus aufs Konto – yippie!

    Ich hab aber dann die Reißleine gezogen. Warum? Weil ich mich gefragt habe:

    Warum fällt es mir verdammt noch mal leichter, für andere Produkte Werbung zu machen, als für meine eigenen??? Und damit dann einem anderen Unternehmen die Taschen zu füllen, anstatt meine eigenen?

    Nein, ich habe nicht so viel Zeit, Geld und Energie aufgewendet, um mich hinter einem perfekt ausgeklügelten Vertriebssystem zu verstecken! Um mir vorschreiben zu lassen, mit welchen Geschichten ich die Menschen, zum Bestellen motivieren darf und mit welchen nicht.

    Ich bin wieder zurück, von meinem kleinen Ausflug in die euphorische Welt des Empfehlungsmarketings, für fremde Produkte…

    Ich habe vieles dazulernen dürfen und tolle Menschen kennengelernt. Danke schön dafür.

    Aber ich will MEIN Ding machen. Weil ich von mir und meinen Angeboten überzeugt bin. Das ich etwas an die Frau bringen kann, wenn ich begeistert bin, habe ich ja jetzt bewiesen ?

    Wenn mir eins wichtig ist, bei meiner Selbstständigkeit, dann ist es die Freiheit, die Dinge so zu gestalten, wie ich es will. Darum ging es mir doch immer: um meine Unabhängigkeit!

    Danke an meine Faulheit, meine Feigheit und meine Eitelkeit. Ihr habt mich in Versuchung geführt, den vermeintlich einfacheren Weg zu gehen.

    Ich habe mir meine volle Energie zurück geholt und werde jetzt wieder voll durchstarten. In eigener Sache! Mit einem Produkt, dass es nur exklusiv bei mir gibt ?

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